In vielen westlichen Demokratien erleben rechte Parteien einen beispiellosen Aufschwung. Warum ist das so?
Die einfache Antwort: Weil viele Menschen wütend sind. Und weil sie wissen, dass sie belogen, betrogen und systematisch benachteiligt werden.
Und so blöd das klingt: Diese Wut ist berechtigt. Nicht, weil rechte Parteien die besseren Antworten haben, sondern weil sie ein Gefühl bedienen, das auch real ist.
Die reichsten 10% besitzen heute mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens in Deutschland. Die ärmere Hälfte dagegen kommt gerade mal auf 2%. Diese Ungleichheit führt zu Frust, Ohnmacht und dem Wunsch nach klaren Schuldigen.
Hinzu kommt ein kaputtgespartes Bildungssystem, eine überforderte Infrastruktur und ein Migrationssystem, das auch kaputt ist, auf Abschottung statt Integration setzt.
Die Folge: Ein tiefes Misstrauen gegen „die da oben“, gegen den Staat, gegen das „System“.
Rechte Parteien bedienen diesen Frust mit einfachen Antworten: „Grenzen schließen“, „die da oben stürzen“, „Deutschland zuerst“. ‘
Was viele übersehen: Diese Parteien vertreten in wirtschaftlichen Fragen oft noch radikalere neoliberale Positionen als die FDP.
Die wahre Ursache für die soziale Spaltung ist ein jahrzehntelang betriebener Abbau des Sozialstaats. Seit den 1980er Jahren wurden Steuern für Reiche gesenkt, staatliche Unternehmen wie Krankenhäuser privatisiert und öffentliche Dienste gekürzt.
Das Ergebnis ist eine Gesellschaft, in der viele abgehängt sind. Doch statt an den Ursachen der Ungleichheit anzusetzen, greifen viele zu den scheinbar „starken“ Lösungen der Rechten.
Was wir brauchen, ist kein weiterer Abbau, sondern Investitionen in Bildung, Infrastruktur, Integration und soziale Gerechtigkeit. Und den Mut, das Ungleichgewicht beim Vermögen offen zu benennen, nicht als Neid-Debatte, sondern als Demokratie-Problem.
Was uns kaputt macht und was wir tun können: Über Egoismus, Erschöpfung und die Kraft von Solidarität
Warum haben so viele Menschen das Gefühl, dass sie ausgenutzt, betrogen oder schlicht ignoriert werden? Warum wächst der Frust, die Wut, gerade bei jungen Leuten, die sich durchs Leben kämpfen, sechs Tage die Woche arbeiten und am Ende doch kaum etwas aufbauen können?
Es liegt nicht nur an einzelnen politischen Entscheidungen. Es ist ein System, das auf Konkurrenz, Ausbeutung und Vereinzelung basiert. Und das hat Grenzen erreicht.
Wer heute sagt: „Jeder kann es schaffen, man muss sich nur anstrengen!“, hat nicht verstanden, dass Geld, Chancen und Einfluss in unserer Gesellschaft massiv ungleich verteilt sind. Ich will nicht schon wieder damit anfangen, dass das oberste Prozent ein Drittel des Vermögens besitzt, während viele nicht wissen, wie sie ihre Miete zahlen sollen.
Und doch wird weiter privatisiert, zugunsten derer, die schon alles haben. Die Frustration ist real – und sie ist begründet.
Doch statt Antworten zu suchen, machen es sich rechte Parteien leicht. Sie lenken den Frust um – auf Migranten, auf Arme, auf „die anderen“.
Sie behaupten, alles sei ganz einfach zu lösen – wenn nur „die da unten“ endlich draußen blieben. Dabei sind es nicht Geflüchtete, die Sozialwohnungen aufkaufen, sondern Immobilienkonzerne. Es sind nicht Ausländer, die Schulen kaputtsparen oder Bildungspolitik machen, es ist die Union.
Die eigentlichen Probleme liegen tiefer und sie lassen sich nicht damit lösen, Andere auszugrenzen. Und jetzt sollen die, die alles kaputtgespart habe, es wieder heilen.
Was helfen kann, ist Solidarität. Echte Begegnung. Ehrenamt. Engagement. Nicht als moralischer Appell, sondern als Erfahrung von Sinn und Gemeinschaft. Wenn Menschen zusammen Feuerwehr machen, Obdachlosenhilfe, Tafeln, Nachbarschaftsprojekte – dann begegnen sie sich nicht nur, sie merken auch: Wir sind nicht allein. Es gibt noch etwas jenseits von Frust und Vereinzelung.
Gleichzeitig braucht es politische Reformen: Eine echte Vermögenssteuer. Eine gerechte Erbschaftssteuer.
Die Verstaatlichung von Grundversorgung. Und den Mut, das Ausspielen von Menschengruppen zu beenden.
Wer spürt, dass er nicht der Einzige ist, der leidet – und dass er gemeinsam mit anderen etwas bewegen kann, verliert nicht den Verstand, sondern gewinnt Hoffnung.
Ja, ehrenamtliches Engagement kann eine sehr wirksame Rolle im Kampf gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit spielen. Es trägt dazu bei, demokratische Werte zu stärken, Solidarität zu fördern und extremistischen Ideologien aktiv entgegenzutreten.
Wir müssen nicht alle retten. Aber wir sollten bei denen bleiben, die das Problem sehen – und die bereit sind, an Lösungen zu arbeiten.
Und schon geht es wieder weiter mit dem Sozialabbau. Mit seinen Aussagen zum Sommerinterview stärkt er die AfD
Realitätsfern und ungerecht? Warum die Debatte über das Bürgergeld an den Menschen vorbeigeht
Einleitung:
Im ARD-Sommerinterview wurde mal wieder viel geredet – nur nicht über das, was wirklich zählt: Wie geht es den Menschen mit niedrigen Einkommen? Was denken Bürgergeldbezieher selbst über das System? Und wie fair ist die ganze Debatte eigentlich? Statt ehrlicher Analyse gab es populistische Schlaglichter und fragwürdige Thesen über Schulden, Auswanderung und Sozialleistungen.
Junge Union: Schulden als Auswanderungsgrund?
Der ARD-Einstieg in das Interview zeigt einen Clip von der Jungen Union Brandenburg. Dort wird suggeriert, dass viele junge Menschen Deutschland verlassen wollen – wegen der Staatsverschuldung. Diese Meinung ist jedoch eine absolute Minderheitenposition und zudem volkswirtschaftlich nicht haltbar: Staatliche Schulden bedeuten nicht automatisch Krise, sondern fließen in Infrastruktur, Bildung und gesellschaftlichen Wohlstand.
Fakt ist: Die Schuldenquote Deutschlands liegt bei rund 60 % – im internationalen Vergleich niedrig. Länder wie Frankreich, Italien oder Japan liegen teils weit über 100 %.
Falsche Zahlen, falsche Annahmen – besonders zur Rente
Auch das Sommerinterview suggeriert „ständig steigende Abgaben“ bei der Rente. Doch der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung ist seit 2018 stabil bei 18,6 %. In Wahrheit sind Rentenbeiträge in den letzten Jahren nicht gestiegen, sondern gesunken. Dass sie langfristig wieder steigen könnten, ist richtig – aber das ist keine neue Entwicklung, sondern ein bekannter, sozialpolitischer Korridor.
Die Bürgergelddebatte – schief und verzerrt
Was bei all den Zahlen untergeht: die Realität der Menschen.
Das Bürgergeld wird oft als zu hoch kritisiert – dabei liegt der Regelsatz für Alleinstehende bei 563 € im Monat. Rechnet man Miete und Krankenversicherung dazu, kostet das System rund 50 Milliarden Euro. Klingt viel? Die jährliche Steuerhinterziehung wird auf 100 Milliarden geschätzt. Auch das gehört zur Wahrheit.
Und: Fast jeder zehnte Bürgergeldhaushalt muss Geld aus dem Regelsatz aufbringen, weil die Unterkunftskosten nicht vollständig übernommen werden.
Reformen ja – aber bitte faktenbasiert
Es ist unbestritten, dass Sozial- und Rentensysteme reformiert werden müssen. Doch was derzeit passiert, ist oft Sparpolitik auf dem Rücken der Schwächsten.
Statt zielgenauer Investitionen in Weiterbildung, Integration und armutsfeste Sicherungssysteme, wird wieder über Leistungskürzungen diskutiert.
Selbst Zahnbehandlungen sollen laut CDU-Vorschlägen aus dem Leistungskatalog gestrichen werden.
Sozialpolitik braucht Ehrlichkeit – keine Klischees
Wer über das Bürgergeld, Renten oder Schulden redet, muss über reale Lebensverhältnisse sprechen – nicht über Scheinlösungen.
Eine gerechte Gesellschaft basiert auf fairen Regeln, soliden Fakten und dem Willen, Menschen zu helfen, statt sie gegeneinander auszuspielen.
Bürgergeld unter Beschuss: Wie Politik und Medien mit Halbwahrheiten Stimmung machen
20 Euro Miete pro Quadratmeter – 2.000 Euro im Monat, bezahlt vom Staat? So lautete sinngemäß eine Behauptung im ARD-Sommerinterview. Friedrich Merz präsentierte das als vermeintliche Realität für Bürgergeldbezieher. Unwidersprochen vom Moderator. Was dabei verschwiegen wurde:
Diese Zahl ist ein extremer Einzelfall – und wird medial gezielt eingesetzt, um Stimmung gegen Menschen in Armut zu machen.
Mietkosten im Bürgergeld: Die Realität sieht anders aus
Die Mietkosten im Bürgergeldbezug werden regional unterschiedlich berechnet und haben mit pauschalen 2.000 Euro wenig zu tun. Eine vier- oder fünfköpfige Familie in München mag bei angespanntem Wohnungsmarkt auf solche Summen kommen – doch das ist nicht die Regel, sondern ein extremer Ausreißer.
Ein-Personen-Haushalte bekommen z. B. in Berlin ca. 449 €, in Köln 677 €, in Leipzig sogar nur rund 346 € akzeptiert. Trotzdem wird dieser Münchner Extremfall von CDU und Teilen der Presse als allgemeines Beispiel missbraucht.
Fakt ist: Jeder zehnte Bürgergeldhaushalt zahlt im Schnitt über 100 € pro Monat aus dem Regelsatz zur Miete drauf – weil selbst die „angemessenen“ Wohnkosten nicht mehr ausreichen.
Studio Rot: Die Perspektive der Betroffenen
Eine eindrucksvolle Gegenerzählung liefert die neue Reportage von Studio Rot, gemeinsam mit Sanktionsfrei. Dort berichten Betroffene und Jobcenter-Mitarbeitende, was das Leben mit Bürgergeld wirklich bedeutet:
- Stigma, Angst, Bürokratie: Viele schämen sich für ihre Situation – nicht wegen Faulheit, sondern wegen Krankheit, Betreuungspflichten oder fehlender Chancen.
- Hass und Hetze: Wer öffentlich über Armut spricht, erhält Drohungen, wird als „Parasit“ oder „Ungeziefer“ beschimpft.
- Eltern verzichten auf Essen: Laut Studie von Sanktionsfrei sagen über 50 % der befragten Bürgergeldbeziehenden, dass sie selbst beim Essen sparen – um ihren Kindern etwas zu ermöglichen.
Politik macht Politik gegen die Ärmsten
Statt über Armut zu sprechen, wird in Medien und Talkshows regelmäßig über angebliche „Luxus-Bürgergeldbeziehende“ fantasiert. Vorschläge aus CDU-Kreisen fordern Leistungskürzungen bei fehlenden Dokumenten oder noch drastischere Einschränkungen. Gleichzeitig gibt es in der Realität:
- Menschen ohne Krankenversicherung wegen bürokratischer Hürden
- Kinder, die nach den Ferien schweigen, weil sie nirgendwo waren
- Alleinerziehende, die keinen Arbeitgeber finden, weil ihre Betreuungszeiten nicht „kompatibel“ sind
Fazit: Es geht nicht nur um Geld – es geht um Würde
Das Sommerinterview versäumte es, diesen Perspektiven Raum zu geben.
Stattdessen wurden Mythen wiederholt und soziale Spaltung weiter befeuert.
Es ist höchste Zeit, die Debatte auf Fakten zu gründen und auf Menschlichkeit. Die Realität des Bürgergelds ist nicht Luxus, sondern Überlebenskampf.

